Zusammenfassung

Bei der Untersuchung der Barthschen Theologie haben wir auf Grund der materialen Füllung der formalen Grundzüge seines Denkens, die wir vornahmen, die wir vornehmen mußten, um überhaupt erst die formalen Kriterien erkennen zu können, gezeigt, daß Barths Theologie eine Theologie der Offenbarung, keine theologische Metaphysik ist, daß er vom Wort Gottes her denkt und es auslegt, nicht aber von philosophischen und anthropologischen Voraussetzungen her seine Sätze entwickelt, daß die formale Struktur wohl seine Theologie bestimmt und ihre Ausführung bis in die letzten Einzelheiten hinein regelt, daß Barth aber diese formale Struktur selbst aus dem Inhalt seiner Theologie, aus dem Handeln und dem Werk Gottes gewonnen hat, und sie allein von daher Bestand hat, daß Barth auch in seinem theologischen Denken die Voraussetzung der Gotteslehre, daß Gott nur durch sein Werk zu erkennen ist, übernimmt und gelten läßt, indem er vom Werk Gottes ausgehend die Bestimmungen festlegt, denen seine theologischen Anschauungen zu folgen haben. Diese Feststellung glaubten wir von unseren Erkenntnissen aus bei Barth machen zu müssen, weil er immer wieder beschuldigt wird, Philosophie, Erkenntnistheorie und Metaphysik in die Theologie hineinzutragen, von der Theologie fremden Voraussetzungen auszugehen. Diese Meinungen haben wir durch unsere Untersuchung als oberflächliche, dem eigentlichen Anliegen und Inhalt des Barthschen Denkens nicht gerecht werdende, seine Theologie mißverstehende Fehldiagnosen nachgewiesen. Bei den Bumhardts hatten wir einen solchen Hinweis nicht nötig, da sie derartigen Verdächtigungen niemals ausgesetzt waren; aber wir müssen hier betonen, daß sich für die Verkündigung der Blumhardts aus der Untersuchung ihres Inhaltes und ihrer Form, aus dem Zusammenhang ihres Denkens mit der Theologie Barths, den wir nachgewiesen haben, das gleiche ergibt wie für Barth selbst, daß auch sie von Gott ausgehen, auf Gottes Wort hören und es weitergeben, der Offenbarung Gottes dienen wollen.

Unser Vergleich der formalen Struktur des theologischen Denkens Barths mit dem der beiden Blumhardts hat uns gezeigt, daß die Gemeinsamkeit ihrer theologischen Anschauungen kein bloßer Zufall ist und nicht von selbst zustande gekommen ist, sondern ihre Begründung und damit ihre Notwendigkeit in der gemeinsamen formalen Struktur des Denkens beider findet. Denn Blumhardt wie Barth geht es um eine Theologie zur Ehre Gottes, wie es sich in der formalen Struktur ihres Denkens ausdrückt; um deswillen gehen sie auch den inhaltlichen theologischen Weg gemeinsam. Wie schon in unserem materialen Vergleich haben wir auch hier, in formaler Beziehung, nur e i n e große und bedeutungsvolle Verschiedenheit Barths von dem Denken der Blumhardts gefunden, und zwar die gleiche wie dort, die Betonung des Aktualismus durch Barth gegenüber der des Realismus durch die Blumhardts, und wir haben in ihr einen Unterschied der Gottesvorstellung beider erkannt, indem Barth von einem h a n d e l n d e n Gott, der allein wirklich Gott sein kann, ausgeht, während die Blumhardts den w i r k l i c h e n Gott, der in seinem Handeln erkennbar wird, in den Mittelpunkt ihrer theologischen Erkenntnisse stellen. Von dieser v e r s c h i e d e n e n Gottesauffassung her aber gehen beide den g l e i c h e n Weg, sowohl was die formale Struktur ihres Denkens, als auch was deren materialen Gehalt betrifft. Alle übrigen Unterschiede zwischen Barth und den Blumhardts lassen sich auch in Bezug auf die Formal-Struktur ihres Denkens darauf zurückführen, daß Barth die Konsequenzen, die sich aus den Anschauungen der Blumhardts ergeben, bis zum Ende auszieht, daß er ihre Gedanken zu größerer theologischer Klarheit bringt, daß er die Verankerung ihrer Theologie in Gottes Handeln und Wort noch stärker zum Ausdruck bringt, indem er die formale Struktur seiner Theologie durch die Prädestinationslehre noch mehr verdeutlicht, als es den Blumhardts gelingen konnte.

Wir haben also nunmehr das Recht, auf Grund unserer umfassenden Untersuchung und Gegenüberstellung des theologischen Denkens Karl Barths und des Kerygmas der beiden Blumhardts vom Reich Gottes die Behauptung aufzustellen und zu vertreten, daß beide im wesentlichen das gleiche Anliegen haben und es auf die gleiche Weise vertreten, daß die Theologie Barths der Verkündigung der Blumhardts entspricht, daß zwischen beiden ein sehr enges Verwandtschaftsverhältnis besteht, und daß diese Gleichheit, Entsprechung und Verwandtschaft zwischen beiden ihre Erklärung in einer Abhängigkeit des Späteren, also Barth, von dem Früheren, also Blumhardt, finden muß. Ehe wir aber dazu übergehen können, uns über die Natur des von uns postulierten Abhängigkeitsverhältnisses Barths gegenüber den Blumhardts und über seine Bedeutung für die Auffassung der Theologie Barths Klarheit zu verschaffen, haben wir noch die Aufgabe, dem einzigen bedeutsamen Unterschied zwischen Barth und den Blumhardts nachzuspüren und ihn in seiner Wirkung auf die Theologie Barths zu erkennen.


4.) Der Entwicklungsverlauf von der Verkündigung der beiden Blumhardts bis zur Theologie Karl Barths

Äußerlich betrachtet steht, wenn wir die Verkündigung der beiden Blumhardts und die Theologie Barths im Zusammenhang anschauen, und d. h., wenn wir das Denken Barths auf Grund seiner Gemeinsamkeit mit dem der Blumhardts als eine Fortsetzung, Wiederaufnahme und Weiterentwicklung der Blumhardtschen Verkündigung auffassen, das Bild einer fortlaufenden, geradlinig sich erstreckenden Entwicklung vom älteren Blumhardt über die vier Perioden seines Sohnes bis zur Barthschen Theologie, die das Denken der Blumhardts weiterführt und durch die Denkmethode der Dialektik zur größten Entfaltung bringt, vor uns. Diese Entwicklungsreihe beginnt mit der großen Neuentdeckung der Wirklichkeit des Reiches Gottes durch den älteren Blumhardt, zu der notwendigerweise die Hinwendung zur Kraft des Heiligen Geistes, zum Wirken Gottes in der Welt treten muß, und die Blumhardts dann in seiner Verkündigung, noch ganz abhängig von seiner pietistischen Herkunft und Vergangenheit, in Anlehnung an die offiziell in der Kirche gültige, von der Aufklärung nicht beeinflußte orthodoxe Theologie den Menschen seiner Zeit weitergibt und einprägt. Auf diese Weise hat er Muße, sich zunächst einmal um eine Klärung, Vertiefung und Abgrenzung seiner Neuentdeckung zu bemühen, die ja vor allem nötig ist, ehe die weitreichenden und überraschenden Konsequenzen gezogen werden können, die sich daraus für die christliche Verkündigung und Theologie ergeben. Dazu kommt der ältere Blumhardt nicht mehr, dazu ist er auch zu sehr durch seine pietistischen und traditionellen Bindungen gehemmt.
Aber der jüngere Blumhardt übernimmt diese Aufgabe von seinem Vater und führt sie selbständig durch. Auch bei ihm zeigt sich, in der ersten Periode, eine Zeit, in der es ihm zunächst einmal um Aneignung und Vergegenwärtigung der vom Vater übernommenen neuen Erkenntnisse gehen muß. Von der zweiten Periode an ist er aber in der Lage, die von seinem Vater neuentdeckte theologische Wahrheit des Reiches Gottes und des Wirkens des Heiligen Geistes bereit zu entfalten, die Folgerungen zu ziehen, die sich aus ihr ergeben, und auf diese Weise das gesamte Neuland nun unter den Pflug zu nehmen und zu bearbeiten. Dies geschieht so, daß der jüngere Blumhardt zuerst einmal die Erkenntnisse seines Vaters zerlegt, sie unter zwei verschiedenen, einander völlig entgegengesetzten Aspekten, nämlich des Gerichts und der Liebe Gottes, die sich aus ihnen ergeben, betrachtet und so bis an ihre äußersten Grenzen vordringt, und daß er dann, nach dieser extensiven Anspannung, in der letzten Periode daran geht, das Errungene zusammenzufassen, in seiner Einheit und Zusammengehörigkeit zu sehen, also intensiv zu pflegen und zur Blüte zu bringen. In diesem Zustand übernimmt nun Barth die Verkündigung der Blumhardts und baut sie weiter aus, verpflanzt sie in Gebiete, die den Blumhardts nicht zugängig waren, ja, die sie leidenschaftlich ablehnten, er nimmt sie auf in die theologische Wissenschaft und bearbeitet sie von hier aus. Diese Entwicklung haben die Blumhardts zweifellos nicht beabsichtigt, ihr Denken konnte mit Dogmen und Dogmatik, gewiß von der Unzulänglichkeit und Offenbarungsfeindlichkeit der zeitgenössischen Theologie her, aber gewiß auch ohne diese bösen Beispiele von außen, von ihren theologischen Fähigkeiten und Neigungen her, nichts anfangen. Diese Entwicklung ist aber nichtsdestoweniger unausbleiblich und von den Blumhardts nicht zu verhindern, ja sie kann ihnen, recht betrachtet, nur lieb sein. Von der Zeit des Urchristentums an hat sich immer wieder bestätigt, daß neue Erfahrungen des Menschen mit dem Wort Gottes über kurz oder lang auch Veränderungen der Theologie nach sich ziehen, nicht nur die Verkündigung der Kirche, sondern auch das menschliche Denk- und Erkenntnisbemühen beeinflussen, und daß gerade darin der beste Schutz, der einzige Halt, die größte Wirkungsmöglichkeit solcher Erfahrungen liegt (7). Barth übernimmt die Erkenntnisse der Blumhardts auf dem Stand, den sie in der vierten Periode des jüngeren Blumhardt erreicht haben, also in ihrer Höchstform; ein weiteres Vordringen war in der Weise der Blumhardts nicht mehr möglich, das zeigt schon das Wesen der vierten Periode des jüngeren Blumhardt, die zusammenfassenden Charakter hat. Es besteht kein Zweifel, daß die Berührungen Barths mit den Blumhardts am stärksten zwischen der 1. Periode Barths und der 4. Periode des jüngeren Blumhardt gegeben sind; hier berühren sich beide ja auch zeitlich, es ist die Zeit der Artikel Barths über Blumhardt, hier finden sich ausgesprochene Bezugnahmen Barths auf Gedankengänge der Blumhardts, hier ist er ihnen auch in der äußeren Situation, als Pfarrer, und deshalb auch stilistisch, in seinen Predigten, am nächsten. Aber schon hier wird es klar, daß es bei dieser rein äußerlichen Nähe zwischen beiden nicht bleiben kann, gerade weil die innere Verwandtschaft so deutlich ist, daß die Verkündigung der Blumhardts bei Barth eine Verwandlung erfahren muß, wie es der Römerbriefkommentar deutlich macht. Diese Verwandlung in Zielsetzung und Durchführung ist sowohl für die Verkündigung der Blumhardts als auch für das Denken Barths selbst gut. Denn nur auf diese Weise kann Barth nicht als Nachahmer und Epigone, sondern als Schüler, der nach Selbständigkeit strebt, auftreten, nur so können die Blumhardtschen Gedanken bereichert und weiter ausgeführt werden, indem sie denkmäßig erfaßt und theologisch dargestellt werden. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildet die zweite Periode Barths, in der er durch die Anwendung des Denkschemas der Dialektik äußerlich ganz von den Blumhardts geschieden ist, in der aber ihre Anschauungen zur größtmöglichsten theologischen Klarheit kommen. So findet hier das Krygma der Blumhardts vom Reich Gottes im theologischen Denken Barths seinen letzten, aber erst den eigentlichen Höhepunkt, indem von hier aus eine von den Blumhardts wohl nicht für möglich gehaltene Breitenwirkung ihrer Anschauungen in die Theologie des 20. Jhdts. und von ihr aus wieder zurück in die christliche Verkündigung der Kirche beginnt, die bis in unsere Tage reicht und wohl noch lange nicht ihr Ende erreicht hat.

Das bisher von uns entwickelte Bild des Wesens von der Verkündigung der Blumhardts zur Theologie Barths ist aber noch nicht vollständig; es verzeichnet zwar die äußerlich sichtbaren Fakten, läßt aber jeden Hinweis auf die inneren Verschiebungen von den Blumhardts bis zu Barth, die in ihrem theologischen Denken auftreten, vermissen. Gerade sie sind es aber, die jede äußere Entwicklung erst möglich machen und vorantreiben, ohne die es zu keiner echten Entwicklung kommen kann, sondern bei stagnierenden Wiederholungen bleiben muß. Diesen inneren Vorgängen in der Theologie Blumhardts und Barths, die nur ganz selten an die Oberfläche dringen, haben wir uns jetzt noch zuzuwenden; in ihnen liegt die Begründung und die Notwendigkeit des Entwicklungsvorganges von den Blumhardts zu Barth beschlossen. Solche inneren Veränderungen treten z w e i m a l auf, und wir haben sie beide Male bereits erkannt und haben nun nur noch auf den Sinn zu achten, der sich aus ihnen für unser Thema ergibt. Wir meinen die Wandlung des theologischen Denkens des jüngeren Blumhardt gegenüber dem seines Vaters und den Unterschied in der Betonung der Hauptlinien der Formalstruktur des theologischen Denkens durch Barth und die Blumhardts. Es sind also die gleichen Punkte, an denen auch äußerlich Entscheidendes geschieht, an denen einmal die Erkenntnisse des älteren Blumhardt von seinem Sohn aufgegriffen und in ihrer Bedeutung für die gesamte Verkündigung erkannt werden, und an denen zum anderen der Übergang von der Verkündigung des jüngeren Blumhardt vom Reich Gottes zur theologischen Wissenschaft Barths vor sich geht. Beides kann Wirklichkeit werden, weil innere Vorgänge da sind, die solche Neuansätze und Fortentwicklungen fordern und begünstigen. Die entscheidende Tat des jüngeren Blumhardt ist die Schwerpunktsverlagerung seiner Theologie und Verkündigung auf den Menschen mit ihren Folgeerscheinungen der Objektivierung des Gottesverhältnisses und der Vergegenwärtigung der bisher im wesentlichen futuristischen Eschatologie. Nur indem der jüngere Blumhardt so, nach wie vor G o t t im Mittelpunkt seines Denkens, den Blick zentral auf den M e n s c h e n richtete, der von Gottes Wort getroffen wird, indem er, nach wie vor das eschatologische F u t u r u m im Auge behaltend, schon die menschliche G e g e n w a r t von der Zukunft Gottes getroffen werden läßt, was aber eine Veränderung des bisherigen rein persönlichen Gottesverhältnisses des älteren Blumhardt ins Objektive, Sachliche nach sich ziehen muß, wird die Vertiefung und Ausbreitung, Anwendung und Fortentwicklung der Verkündigung vom Reiche Gottes möglich, bricht diese sich Bahn und beginnt ihren Lauf, der sie durch alle Weiten und Tiefen der Welt und des Menschen führen soll. Die weiteren Gefahren, die sich aus einer solchen Entwicklung ergeben, wie die Verwandlung der Theologie der Offenbarung in religiöse Metaphysik, der Anthropologisierung der Theologie und des Verlustes des eschatologischen Charakters des Heilsgeschehens, hat Blumhardt überwunden, wenn auch, mindestens was die beiden letzten betrifft, nach schweren Kämpfen und vielerlei Verirrungen in der dritten Periode. Auf der gleichen Linie steht nun auch der innere Vorgang bei dem Übergang von der Verkündigung des jüngeren Blumhardt zur Theologie Barths: wir meinen die Wandlung der Betonung innerhalb der beiden Hauptlinien der Formalstruktur des theologischen Denkens der Blumhardts und Barths. Vergleichen wir dieses Geschehen mit den Ereignissen beim Übergang der Verkündigung des älteren Blumhardt auf seinen Sohn, dann wird es möglich, seine Funktion und seine Bedeutung im Rahmen der Entwicklung von den Blumhardts zu Barth klar zu sehen und zu verstehen. Erst mit der Betonung des Aktualismus durch Barth, erst mit der Gottesvorstellung des handelnden Gottes, der allein durch sein Handeln wirklich Gott ist und sich als solcher offenbart, ist die theologisch-wissenschaftliche Durchdringung der Blumhardtschen Verkündigung möglich, ist dieser Wechsel der Betonung aber einmal vollzogen, dann ist sie damit gefordert und beginnt beinahe von selbst abzulaufen. Denn aus dieser Betonungsverschiebung ist die letzte Klarheit gekommen in das Gottesbild der Blumhardts, von dem in ihrer Verkündigung doch soviel abhängt, ist diese nun fähig und bereit dazu, Gegenstand theologisch-wissenschaftlichen Nachdenkens und Forschens zu werden. Barths Gottesvorstellung stellt der der Blumhardtschen gegenüber einen wesentlichen Fortschritt dar, einen Fortschritt, der gemacht werden mußte, um eine Weiterentwicklung der Blumhardtschen Gedanken aus dem Stand der vierten Periode des jüngeren Blumhardt in die Wege zu leiten; und eine solche Weiterentwicklung mußte sie zwangsläufig auf das Gebiet der wissenschaftlichen Theologie überführen. Die Begründung für diese Behauptungen erkennen wir darin, daß die Gottesvorstellung der Blumhardts ihren eigenen theologischen Aussagen nicht gerecht wird, daß die Betonung des Realismus gegenüber dem Aktualismus wohl dem Ausgangspunkt des älteren Blumhardt, seinem Erlebnis der Realität Gottes, entspricht, daß aber ihre Verkündigung längst die Unhaltbarkeit dieser Betonung nachgewiesen hat, ohne daß sie diese deshalb aufgegeben hätten. Denn das Eine ist wohl durch die Untersuchung der Blumhardtschen Gedankengänge klar geworden, daß sie nämlich a l l e n Wert auf den Gott der Offenbarung legen, daß das Reich Gottes für sie durch Gottes Handeln zustandekommt, daß der Heilige Geist dieses Handeln Gottes in Person darstellt, und daß erst deshalb und daraufhin von einer Realität Gottes, von der Wirklichkeit der Offenbarung Gottes, von der Gewißheit des Sieges Gottes in seinem Reich, von der Sicherheit des Heiligen Geistes in aller menschlichen Unsicherheit gesprochen werden kann. Aber beide Blumhardts ziehen nicht die Konsequenzen aus ihren eigenen Erkenntnissen, sie hängen zu sehr an
ihrer Ausgangsposition, als daß sie die nötige sachliche Korrektur ihres Denkens vollziehen, die Tatsache erkennen könnten, daß auch die Gottesbegegnung des älteren Blumhardt nur möglich war, weil Gott handelte, weil er sich ihm offenbarte. In diesem Sich-Anklammern und Nicht-Weichenwollen an und von eigenen Erfahrungen und Erlebnissen, die für sie wichtig und bedeutungsvoll gewesen sind, liegt ein Stück des Pietismus, der auch den jüngeren Blumhardt, trotz seiner sichtbaren Abwendung von ihm, noch nicht ganz verlassen hat. Erst Barth, der durch derartige Rücksichten nicht gehemmt ist, vermag jene Wendung zu vollziehen, die sich aus der Verkündigung der Blumhardts von selbst ergibt, kann den Aktualismus über den Realismus stellen, die Wirklichkeit Gottes als allein in sinem Handeln begründet erkennen, und erschließt durch diese Wendung der Verkündigung der Blumhardts eine neue Dimension, er macht sie, die nun auch theologisch einwandfrei und aus einem Guß ist, geeignet, in wissenschaftlicher Weise behandelt und aufgenommen zu werden, wie es dann in seiner Theologie, bis hin zur Dialektik der zweiten Periode Wirklichkeit wird.

Der hier aufgezeigte äußere und innere Entwicklungsgang von der Verkündigung der Blumhardts zur Theologie Barths ergibt sich zwangsläufig aus unseren Feststellungen über die theologischen Anschauungen der Blumhardts und Barths und über ihre inneren Zusammenhänge.


5.) Zusammenfassung

Das Ergebnis unseres Vergleiches der theologischen Anschauungen Barths mit denen der beiden Blumhardts läßt sich in folgenden Sätzen kurz zusammenfassen:

a) Die Untersuchung der Erwähnung und Beachtung der Blumhardts in den Schriften Barths zeigte, daß Barth an ihnen und ihrer Verkündigung großen Anteil genommen, daß er sich selbst als von ihnen beeinflußt und als ihr Fortsetzer bezeichnet hat, daß diese Einflußnahme der Blumhardts auf Barth nicht im Sinne einer bloßen Wiederholung und Darstellung ihrer Verkündigung durch Barth gesehen werden darf, sondern daß Barth durch die Blumhardts zu eigenem und selbständigen theologischen Denken in ihrem Geist angeregt worden ist, und daß schließlich die Blumhardts nicht die Einzigen gewesen sein können, die Barth zu einem solchen näheren Verhältnis zu ihnen gebracht haben, wie die Gegenüberstellung der Blumhardts und Overbecks durch Barth zeigt.

b) Die Untersuchung des materialen Gehalts der Blumhardts und Barths führte uns zu Erkenntnissen, die uns die enge Verwandtschaft und Zusammengehörigkeit beider deutlich aufzeigten. Es erwies sich die wesentliche Gleichheit des Denkens Barths mit der Verkündigung der Blumhardts auf den Gebieten der Sündenlehre, der Soteriologie, Christologie und Eschatologie, der Lehren von der Heilszueignung, von der Heilsaneignung, vom christlichen Handeln und vom Reich Gottes, darüber hinaus auch noch auf Gebieten, die entweder bei Barth, aber nicht bei den Blumhardts, oder auch umgekehrt, im Vordergrund stehen, wie in Bezug auf die vier Zentralanliegen der Blumhardts oder auf die Lehren von der Gotteserkenntnis und der göttlichen Prädestination bei Barth. Alle auftretenden Unterschiede konnten wir, bis auf die Betonung des Realismus durch die Blumhardts, des Aktualismus durch Barth, zurückführen auf persönliche Erlebnisse und antipietistische Anschauungen Barths, oder auf die theologische Klärung und Begründung der Verkündigung der Blumhardts durch Barth, durch die es auch zu der bei Barth so überaus wichtigen Prädestinationslehre gekommen ist.

c) Die Untersuchung der formalen Struktur des Denkens Barths und der Blumhardts zeigte uns dieselbe Gleichheit und Zusammengehörigkeit der Theologie der Blumhardts und Barths auch auf formalem Gebiet und bewies dadurch, daß die Verwandtschaft Barths mit den Blumhardts in der materialen Gestaltung ihrer Anschauungen nicht zufällig zustande gekommen ist, sondern von wesentlicher Bedeutung für die Erkenntnis des Denkens Barths ist. Es zeigte sich, daß die beiden Hauptlinien, Aktualismus und Realismus, und die drei Nebenlinien, Theozentrismus, Monismus und Universalismus, sowohl bei Barth als auch bei den Blumhardts zu finden sind und bei beiden Gleichbedeutendes aussagen. Ein Unterschied zwischen Barth und den Blumhardts, den wir schon bei der Untersuchung des Inhalts ihrer Theologie gefunden hatten, die Betonung des Aktualismus vor dem Realismus durch Barth gegenüber der umgekehrten Stellungnahme der Blumhardts trat nun hier deutlich in Erscheinung. Alle anderen Unterschiede ließen sich auch hier wieder auf Grund persönlicher Verschiedenheiten Barths von den Blumhardts erklären, wobei wiederum die Prädestinationslehre Barths als sein großer Fortschritt gegenüber den Blumhardts deutlich wurde.

d) Aufgrund dieser Erfahrungen, die wir durch den von uns durchgeführten Vergleich der Theologie Barths mit der Verkündigung der Blumhardts machen konnten, waren wir in der Lage, die Behauptung einer Abhängigkeit Barths von dem Denken der Blumhardts aufzustellen.

e) Weil wir so die Abhängigkeit Barths von den Blumhardts erkannt hatten, konnten wir zuletzt versuchen, den äußeren und inneren Gang der Entwicklung vom älteren Blumhardt bis zur dialektischen Periode Barths zu skizzieren und als eine Einheit aufzufassen.

Überall, auf dem ganzen Weg, steht Gott, seine Ehre, sein Handeln, seine Offenbarung, im Mittelpunkt der Theologie und der Verkündigung. Der ältere Blumhardt hat diesen Gott der Heiligen Schrift, der sich in Christus den Menschen zu erkennen gibt, wieder entdeckt; sein Sohn zieht die Verkündigung von diesem Gott aus bis an die äußersten Grenzen des menschlichen Lebens und umfaßt mit ihr die ganze Welt; Barth endlich übernimmt diese Verkündigung vom jüngeren Blumhardt auf ihren Höhepunkt in der vierten Periode und gibt ihr einen neuen Sinn, eröffnet ihr eine neue Dimension, indem er sie in die theologische Wissenschaft einführt und diese damit erneuert; dieses Anliegen läßt Barth schließlich zur dialektischen Methode greifen, um so die Durchschlagskraft und revolutionierende Wirkung der Blumhardtschen Erkenntnis voll zum Ausdruck zu bringen und die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Diesem äußeren Verlauf der Entwicklung entspricht ein innerer, der jenen erst ermöglicht und aus sich heraussetzt. Hier ist zu denken an die Wandlung des jüngeren Blumhardt gegenüber seinem Vater, die sich in der Schwerpunktsverlagerung auf den Menschen und der ihr folgenden Objektivierung des Gottesverhältnisses und Vergegenwärtigung der Eschatologie kundmacht, und an die entsprechende Veränderung der theologischen Struktur des Denkens Barths gegenüber dem der Blumhardts, wie sie sich in seiner Betonung des Aktualismus vor dem Realismus, in der darin verborgenen Gottesvorstellung des allein in seinem Handeln Wirklichkeit werdenden Gottes, zeigt. Während die erste Wendung die Kräfte der Neuentdeckung des älteren Blumhardt, der Verkündigung vom Reiche Gottes, freimacht, wird durch die letzte Veränderung eine Inkonsequenz der Blumhardtschen Theologie, die Voranstellung des Realismus vor den Aktualismus, die ihre Unmöglichkeit schon in der materialen Verkündigung der Blumhardts erweist, beseitigt und damit die Theologisierung der Blumhardtschen Anschauungen in die Wege geleitet. Mit dieser Darstellung ist also auch der letzte Unterschied zwischen Barth und den Blumhardts erklärt und hat seinen ihm gebührenden Platz erhalten; zugleich ist auf diese Weise ein Beweis für die Richtigkeit unserer Auffassung der Entwicklung von den Blumhardts zu Barth erbracht worden.

Der Weg ist nun frei, unsere Erkenntnisse auf die Theologie Barths selbst anzuwenden und sie in dem Licht anzuschauen, das durch die von uns geöffneten Fenster auf sie fällt. Das soll die Aufgabe des Schlußabschnittes unserer Arbeit sein.





B) Das Ergebnis der Arbeit

1.) Die Art des Zusammenhanges Karl Barths mit den beiden Blumhardts

Am Anfang unseres letzten größeren Abschnittes, des Vergleiches der Theologie Barths mit der Verkündigung der beiden Blumhardts, trafen wir anhand der Erwähnungen der Blumhardts bei Barth vier Feststellungen, die wir uns dann durch den durchgeführten genauen Vergleich der theologischen Anschauungen beider entweder bestätigten oder abwandeln oder als falsch erklären lassen wollten. Diese vier Feststellungen waren:

1.) Barth hat sich mit den Blumhardts stark und häufig beschäftigt, so daß diese großen Einfluß auf ihn ausüben konnten.

2.) Barth hat die Beeinflussung seines Denkens durch die Blumhardts, die bis zum Ende der dialektischen Periode geht, selbst zugegeben.

3.) Von einer direkten Abhängigkeit Barths von den Blumhardts kann nicht gesprochen werden, weil sich bei Barth ein völliger Neuanfang bemerkbar macht.

4.) Barth hat nicht allein von den Blumhardts gelernt, sondern auch andere Theologen haben starken Einfluß auf ihn ausgeübt. Die Ergebnisse unserer Untersuchung geben uns nun das Recht, diese vier Feststellungen folgendermaßen zu konkretisieren und zu erweitern:

a) Die aus der Häufigkeit und Wärme der Erwähnungen der Blumhardts durch Barth, in denen sich seine starke innere Anteilnahme an ihrem Denken und Wirken ausdrückt, sich ergebende Tatsache einer starken Hinwendung Barths zu dem Gedankengut der Blumhardts wurde durch den Vergleich der theologischen Anschauungen Barths mit denen der Blumhardts vollauf bestätigt. So konnten wir nachweisen, daß das gesamte theologische Denken Barths im Ganzen, in der Grundhaltung wie in Einzelheiten der Ausführung des Ganzen, in der Verkündigung der Blumhardts vom Reich Gottes vorgebildet war und durch Barth von den Blumhardts aufgegriffen und zu seiner eigenen Theologie umgestaltet und vollendet wurde.

b) Damit hat sich für uns auch die zweite Feststellung vollauf bestätigt. Die eigene Angabe Barths von einem starken Einfluß der Blumhardtschen Verkündigung auf sein eigenes Denken konnte von uns in vollem Umfang aus einem Vergleich beider miteinander nachgewiesen werden. Wir erkannten, wie die gemeinsame Verkündigung beider Blumhardts als Ganzes auf die ebenso innerlich einheitliche Theologie Barths von 1915-1924 eingewirkt und sie entscheidend bestimmt und geformt hat. Sowohl die Form des theologischen Denkens der Blumhardts und Barths, ihr Aktualismus und Realismus, und daraus folgend ihr Theozentrismus, Monismus und Universalismus, als auch der materiale Inhalt dieses Denkens in Sündenlehre, Soteriologie, Christologie, Eschatologie, Heilszueignungs- und Aneignungslehre, Ethik, in der Ausführung der Zentralanliegen und in der Gotteslehre beruhen auf den gleichen Grundlagen, hinter ihnen steht das gleiche theologische Interesse, das sie dann auch zu den gleichen Anwendungen und Ausführungen dieses Interesses führt. Das Grundanliegen, das die Verkündigung der Blumhardts wie die Theologie Barths beherrscht und den Zusammenhang beider bis in die Einzelheiten hinein herstellt, können wir von der Theologie Barths aus mit den Worten "Soli deo gloria" bezeichnen, die vorzeichenartig alles bestimmen und ausrichten. Das gleiche bedeutet die Bestimmung des Denkens der Blumhardts als Verkündigung vom Reich Gottes.

c) Die von uns gefundenen Unterschiede des Denkens Barths von der Verkündigung der Blumhardts zeigten uns die Richtigkeit der dritten Feststellung, daß nämlich von einer direkten unveränderten Fortsetzung der Verkündigung der Blumhardts durch Barth nicht die Rede sein kann, daß sich im Gegenteil bei Barth gegenüber den Blumhardts eine deutliche Wendung vollzogen hat, die seine Theologie auf eine andere Ebene rückt. Diese Veränderung bei Barth ist der Wechsel der Betonung im Verhältnis Aktualismus-Realismus, das in der formalen Struktur des Denkens der Blumhardts wie Barths die gleiche entscheidende Bedeutung hat. Während die Blumhardts den Realismus betonen, verschiebt Barth den Akzent ausdrücklich auf den Aktualismus hin. Hinter dieser Verschiebung verbirgt sich ein verschiedenes Gottesbild, in dem die Blumhardts die Wirklichkeit Gottes vor Augen haben, die sich durch das Handeln Gottes den Menschen offenbart, während Barth allen Nachdruck auf den handelnden und wirkenden Gott legt, der allein durch sein Handeln zu einer Wirklichkeit für den Menschen werden kann. Damit wird aber von Barth eine Inkonsequenz der Blumhardtschen Gottesvorstellung beseitigt, die schon in ihren inhaltlichen theologischen Ausführungen sich störend bemerkbar gemacht hatte, aber von ihnen nicht beseitigt worden war, weil sie sie noch nicht erkennen konnten. Auf diese Weise macht Barth den Weg frei zu einer Neu- und Weiterentwicklung der Blumhardtschen Verkündigung von ihrem Höhepunkt aus, den sie in der vierten Periode des jüngeren Blumhardt erreicht hatte, auf dem Barth selbst sie zuerst kennengelernt hat. Die Verwandlung der Verkündigung in Theologie wird nun vollzogen; sie ist das eigentlich große und bedeutsame Werk Barths, durch das er die Leistung der Blumhardts vor dem Vergessenwerden gerettet, der Mit- und Nachwelt dargeboten und so erneuert und vollendet hat. Alle weiteren Unterschiede Barths gegenüber den Blumhardts, vor allem seine Fortschritte in der Gotteslehre, besonders in Bezug auf die Prädestination, ergeben sich entweder aus diesem wissenschaftlichen Neuansatz Barths oder sind auf persönliche Erfahrungen und Erlebnisse, die sich aus Barths Lebensweg ergeben, zurückzuführen, wie beispielsweise der besondere Widerwille Barths gegen allen Pietismus.
Wollen wir von hier aus den gefundenen Zusammenhang zwischen Barth und den Blumhardts näher bestimmen, so erhalten wir zwei Grenzlinien, innerhalb deren der Ort dieses Zusammenhangs liegen muß. Er ist einerseits mehr als bloße Parallelität des theologischen Denkens, denn Barth hat die Blumhardts direkt gekannt und ist ihnen verpflichtet, er ist andererseits aber auch weniger als direkte Abhängigkeit Barths von den Blumhardts, denn Barth hat die Verkündigung der Blumhardts wohl aufgenommen, sie aber fortentwickelt und von einer anderen Position aus, zu einem anderen Zwecke neu zusammengestellt und bis in die letzten Konsequenzen verfolgt. Als einen Begriff, der zwischen diesen beiden Grenzlinien liegt, haben wir den Terminus "V e r w u r z e l u n g" gefunden und gewählt, wie er im Titel unserer Arbeit erscheint. Er besagt, daß Barths Denken seinen Ursprung wohl in der Verkündigung der Blumhardts hat, daß er diesem Ursprung aber nicht sklavisch verhaftet ist, sondern sich von ihm aus frei zu einer eigenen, festgeprägten Persönlichkeit auch in seinem eigenen theologischen Denken entwickelt hat. Wir können also feststellen, daß wir durch unsere Untersuchung dem Thema der Arbeit, die Verwurzelung der Theologie Barths in der Blumhardtschen Verkündigung nachzuweisen, gerecht geworden sind.

d) Es lag an unserer Aufgabenstellung, daß wir zu der vierten Feststellung, daß Barth nämlich nicht nur im Zusammenhang mit den Blumhardts steht, sondern daß auch andere Theologen auf ihn eingewirkt haben, von unserem Vergleich des Denkens Barths mit der Verkündigung der Blumhardts her nicht viel beitragen konnten. Ein solcher Vergleich ist nicht in der Lage, außerhalb seiner Vergleichsobjekte liegende Tatsachen und Entwicklungen ins Blickfeld zu bekommen. Wir müssen uns also hier darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß durch unsere Untersuchungen diese vierte Feststellung zwar nicht bestätigt, aber auch nicht außer Kraft gesetzt worden ist, wie es sich vor allem in dem von uns beobachteten Einfluß der Dialektik Kierkegaards auf das Barthsche Denken der zweiten Periode zeigt.



2.) Die Bedeutung des Zusammenhangs Barths mit den beiden Blumhardts

Aus dem Ergebnis der Arbeit, der festgestellten Verwurzelung des theologischen Denkens Barths im Kerygma der beiden Blumhardts vom Reiche Gottes, ergeben sich Konsequenzen, die in ihrer Bedeutung und Reichweite hier noch kurz angedeutet werden sollen. Sie ergeben sich natürlich vor allen Dingen für das Verständnis der frühen Theologie Barths, das, wie wir in unserer Literatur-Übersicht gezeigt haben, schwankt und nicht zur Ruhe kommen will. Wenn es als Tatsache angesehen und entsprechend berücksichtigt wird, daß das gesamte theologische Denken Barths, wie es uns in den beiden Auflagen des Römerbriefkommentars und den sie umgebenden Schriften entgegentritt, seine Herkunft in der Reichgottesbotschaft der Blumhardts hat, sich von diesem Ausgangspunkt aus entwickelt und dieses Kerygma der Blumhardts zu seiner Theologie umgestaltet und erweitert hat, ist es möglich, in zwei in der Literatur immer wieder aufgenommenen großen Fragen zu einem definitiven Abschluß zu gelangen und damit das Verständnis Barths auf eine gesicherte Grundlage zu stellen, von der aus dann weiter geforscht werden kann. Es wird dann das eigentliche Anliegen Barths klar, das mit dem der Blumhardts identisch sein muß und kurz als die "Ehre Gottes unter den Menschen" bezeichnet werden kann, und es wird die theologische Herkunft Barths eindeutig bestimmt, die auf die beiden Blumhardts zurückgeht, deren Verkündigung die Theologie Barths aufs tiefste beeinflußt und geformt hat. Damit sind aber gleichzeitig zwei wichtige Abgrenzungen zu vollziehen, mit Hilfe derer die Uneinigkeit und Gegensätzlichkeit der Auffassungen über das Wesen der Barthschen Theologie stark eingeschränkt werden können. Es ist nämlich deutlich, daß alle philosophischen Systeme und Anschauungen, die sich bei Barth bemerkbar machen, nur am Rande seines eigentlichen Denkens stehen können, daß alle Verständnis-Versuche Barth nicht gerecht werden, die ihn hauptsächlich von der Philosophie her verstehen und diese bei ihm in den Vordergrund stellen. Wenn das Ergebnis unserer Arbeit allgemein anerkannt wird, ist es nur noch möglich, nach der t h e o l o g i s c h e n Intention, die selbstverständlich auch in philosophischem Gewand erscheinen kann, und nach den t h e o l o g i s c h e n Vorfahren des Barthschen Denkens, die natürlich als solche gegebenenfalls auch Philosophen sein können, zu fragen; der Kreis, der nun noch übrig bleibt, wird dadurch nochmals eingeengt, daß alle theologischen Anliegen Barths in bestimmter Verwandtschaft, in gewisser Nähe zu dem Hauptanliegen der Blumhardts, zu ihrer Reichgottesverkündigung, daß alle theologischen Lehrer Barths in sachlich, nicht unbedingt persönlich positiver Beziehung und Hinwendung zu den beiden Blumhardts stehen müssen. Wir haben in unserer Darstellung des theologischen Denkens Barths von vornherein versucht, ein solches Verständnis Barths als eines T h e o l o g e n durchzuführen und glauben, daß dieser Versuch durchaus gelungen und die Möglichkeit einer solchen Barth-Auffassung damit gerechtfertigt ist. Das Ergebnis der Arbeit lehrt uns darüber hinaus, daß nur in dieser Richtung ein wirklicher Fortschritt über die bisherigen Leistungen der Barth-Forscher hinaus, ein wirkliches Näherkommen an den Barth der zwanziger Jahre möglich ist. Es würde den Rahmen unserer Arbeit bei weitem übersteigen, von diesen Erkenntnissen aus in eine eingehende Auseinandersetzung mit der von uns dargestellten Barth-Literatur einzugehen. Es sei lediglich gestattet, auf die Arbeiten von Urs von Balthasar, Bultmann, Haitjema, Heinzelmann, Keller, Köpp und Strauch als verheißungsvolle Ansätze in der von uns geforderten und als notwendig erwiesenen Richtung hinzuweisen, denen als abschreckende Beispiele eines vollkommenen Mißverständnisses Barths die Schriften von Bohlin, Bruhn, Eichhorn, Messer, Öpke, Schmidt und Werner gegenüberzustellen wären, während alle anderen Aufsätze und Bücher über Barth, die von uns untersucht wurden, zwischen diesen beiden Gruppen mitten drin stehen.

Das Verständnis des theologischen Werdens und Wollens der Blumhardts ist bei weitem nicht so umstritten wie das bei Barth der Fall ist. Der Vorwurf, der ihnen vom lutherischen Standpunkt aus gemacht wird, daß sie gewisse Elemente des christlichen Glaubens, besonders die Eschatologie, überspitzen und dafür andere wesentliche Züge, wie die Rechtfertigungslehre, nicht genügend berücksichtigen, lag außerhalb unserer Betrachtung; von der Beeinflussung Barths durch die Blumhardts her läßt sich dazu nichts weiter sagen, als daß diese Einseitigkeit auch auf Barth übergegangen sein müßte, wenn dieser Vorwurf stimmt. Eine diesbezügliche Untersuchung, die eine kritische Würdigung der Theologie der Blumhardts und Barths von der Offenbarung Gottes in Christus, von der Heiligen Schrift her bedeuten würde, gehört nicht zu unserem Arbeitsbereich. So können wir als einzige Konsequenz, die die Verwurzelung des theologischen Denkens Barths im Kerygma der Blumhardts für das Verständnis der Blumhardts bedeutet, nur dies anführen, daß damit die Leistung und das Verdienst der Blumhardts mit ihrer Reichgottesbotschaft bedeutend unterstrichen wird, daß sich von daher für die evangelischen Theologen die Forderung ergibt, die Blumhardts viel ernster zu nehmen und ihnen weit stärkere Aufmerksamkeit zu widmen, als sie das bisher getan haben, auch wenn es sich bei ihnen nur um einfache Prediger des Gotteswortes, nicht um eigentliche wissenschaftliche Theologen handelt. Wir haben gesehen, was aus einer "schlichten" Botschaft alles entstehen kann! (nachträglich Markierung)


3.) Konkrete Aufgaben für die weitere Barth-Forschung

Auf zwei ganz bestimmte konkrete Aufgaben, die sich aus dem Ergebnis unserer Arbeit für die weitere Untersuchung der frühen Theologie Karl Barths ergeben, müssen wir jetzt noch aufmerksam machen. Sie sind bedingt durch unsere induktive Arbeitsmethode, durch die wir zu dem Ergebnis der Arbeit, zum Nachweis der Verwurzelung des Barthschen Denkens in der Blumhardtschen Verkündigung gelangt sind. Diese induktive Methode verlangt unbedingt eine Ergänzung und Fortführung der Arbeit mit Hilfe einer ihr entgegengesetzten deduktiven Arbeitsmethode, durch die allein der der Arbeit zugrundeliegende Themenbereich vollständig ausgeschöpft werden kann, durch die unsere Ergebnisse weitergeführt, gesichert und abgerundet werden müssen. Es handelt sich hierbei um die Fragen des Verlaufs der Entwicklung, innerhalb deren Barth durch den Einfluß der Blumhardts aus einem Herrmann-Schüler zu einem theologischen Neuerer im Geiste der Blumhardts geworden ist, nach dem Verhältnis des Zusammenhangs Barths mit den Blumhardts zu der für B. mit anderen Theologen oder auch Philosophen festzustellenden Verwandtschaft. Diese beiden Problem-Komplexe sind von der Voraussetzung der von uns gefundenen Verwurzelung Barths in der Gedankenwelt der Blumhardts her, also im deduktiven Schema, noch zu lösen. Erst wenn das geschehen ist, wird ein w i r k l i c h e s Verständnis des Wesens und der Entwicklung der Theologie Barths in den Jahren 1915-1924 vorhanden und von hier aus dann auch eine k r i t i s c h e Stellungnahme dazu möglich sein.

Zu diesen beiden Aufgaben können wir von unseren Erkenntnissen aus folgende Bemerkungen machen, die in der Lage sind, einer solchen Untersuchung die Richtung zu weisen. Der Einfluß der Blumhardts auf Barth beginnt ohne Zweifel bereits kurz nach Abschluß seiner Universitäts-Studien 1909 und erreicht seinen Höhepunkt und Abschluß noch vor dem Erscheinen der bereits voll der neuen Theologie zugehörigen Schriften von 1915. Wir haben diese Periode der Barthschen Entwicklung kurz untersucht und festgestellt, daß die Einwirkungen neuer Erkenntnisse auf Barth zunächst deutlich mit seiner Hinwendung zum Sozialismus verbunden sind, daß er aber später Mühe hat, diese neuen Linien unter dem Druck der selbständig werdenden sozialistischen Ideen festzuhalten und weiter zu entwickeln, bis er schließlich den Sozialismus zugunsten dieser Neuansätze in den Hintergrund drängt und damit die entscheidende Phase seiner neuen Theologie einleitet. Es läßt sich nun leicht denken, wie die Einflußnahme des Sozialismus auf Barth sich für ihn mit dem gleichzeitigen Kennenlernen des Blumhardtschen Gedankengutes verknüpfte. Der jüngere Blumhardt war ja selbst Sozialdemokrat und hat auch die Schweizer religiös-sozialen Kutter und Ragaz stark beeinflußt. Aus dieser Verbindung erklärt sich die anfängliche Einheit der sozialistischen mit den neuen theologischen Gedanken, die untrennbar miteinander verbunden von Barth aufgenommen wurden. Aber je länger, je mehr löste sich diese Verbindung, wie ja auch Kutter und Ragaz je stärker von Blumhardt abrückten, je offensichtlicher dieser in seiner vierten Periode seinen einseitig sozialistischen Standpunkt überwand. Auch bei Barth kam es zum Kampf um die Oberherrschaft, in dem das sozialistische Anliegen des Menschheitsglückes und das theologische Anliegen der Ehre Gottes, die erst nicht voneinander zu scheiden waren und eines das andere zu fordern und aus sich herauszusetzen schienen, miteinander lange Zeit unentschieden hin und her rangen, bis der Sieg sich dann nach langem Schwanken eindeutig auf die Seite der Theologie, der Ehre Gottes neigte. Auch in diesem Kampf kann die Bekanntschaft mit dem jüngeren Blumhardt einen entscheidenden Einfluß auf seinen endlichen Ausgang ausgeübt haben. Fest steht jedenfalls, daß Barth von 1915 an seine Entwicklung zur neuen Theologie a b g e s c h l o s s e n hat, nun die Verkündigung der Blumhardts s e l b s t ä n d i g in seine theologischen Bemühungen aufnimmt und weiter entwickelt, daß die Einwirkung der Blumhardts auf Barth also in der Hauptsache v o r diesem Zeitpunkt stattgefunden haben muß. Wir können auf diese Fragen jetzt nicht weiter eingehen und unsere Vermutungen beweisen, es scheint uns aber unerläßlich festzustellen, daß eine theologische Untersuchung dieser Fragen, die einige Aussicht auf Erfolg haben soll, ihren Einsatz in der Zeit der Entwicklung Barths von 1909-1914 zu nehmen und dort nach den Spuren, die die Verkündigung der Blumhardts bei B. hinterlassen hat, zu suchen hat. Dabei ist besonderer Wert zu legen auf die Verbindung Barths mit Kutter und Ragaz, durch die er wahrscheinlich erst zu den Blumhardts hingeführt worden ist. Auch der Einfluß Eduard Thurneysens, der noch eindeutiger ist als Barth besonders von Kutter und durch ihn also auch von den Blumhardts herkommt, auf Barth ist nicht zu unterschätzen. In diese angegebene Richtung führten auch persönliche Gespräche, die wir mit Prof. Karl Barth hatten und in denen er seine Verbindung zu den Blumhardts, über deren Reichweite und Bedeutung für seine frühe Theologie er sich begreiflicherweise keine volle gedankliche Rechenschaft ablegen konnte, auf der Linie Blumhardt-Kutter- (in vermindertem Maße auch Ragaz) -Thurneysen-Barth sah. Es ist also ein unserer Meinung nach sehr hoffnungsvolles Unternehmen, auf diese Weise den Hergang zu ergründen, wie es zu der Verwurzelung Barths im Kerygma der Blumhardts kam, die wir in unserer Arbeit in ihrer Wirklichkeit nachgewiesen haben. Gelingt dieses Unternehmen, so ist damit ein weiterer Beweis für die Richtigkeit unserer Feststellungen erbracht und das Verständnis Barths von den Blumhardts her zur vollen Evidenz gelangt.

Erst dann ist der Boden genügend fest begründet, der eine Beurteilung der Einflüsse auch anderer Theologen und Philosophen auf Barth gestattet. Es wird sich in einer solchen Untersuchung darum handeln, die Vielschichtigkeit und Mannigfaltigkeit der Theologie Barths, die ihr gegenüber der viel stärker einheitlichen und einlinigen Verkündigung der Blumhardts eignet, zu verstehen und in ihren Grundlagen darzustellen, wie sie sich aus dem Einwirken verschiedener geistiger Strömungen auf Barth ergeben hat, dabei aber niemals den Zusammenhang Barths mit den Blumhardts außer Acht zu lassen, der seiner ganzen Theologie Sinn und Gestalt gegeben hat. Es ist auf diese Weise durchaus möglich, den Einflüssen der verschiedensten Theologen und Philosophen auf Barth, ohne sie zu verfälschen oder sie zu begatellisieren, Rechnung zu tragen, ihre positive oder auch negative Bedeutung, deren Anliegen ja auch Barths eigenes Anliegen gewesen ist, für die Theologie Barths zu erkennen und somit den theologischen Weg Barths, den er in den Jahren 1915 bis 1924 gegangen ist, zu beschreiben und in seinen Voraussetzungen und Wirkungen zu überblicken. Wir brauchen dabei keine falsche Scheu walten zu lassen, die Erkenntnisse unserer Arbeit könnten umgestoßen werden, es ist durchaus nicht nötig, daß gewisse Einflüsse vielleicht übergangen werden, weil sie zu diesen Ergebnissen nicht zu passen scheinen, es können alle Beziehungen Barths zu den entlegendsten Punkten des menschlichen Denkens, die in der Barth-Literatur bereits entdeckt worden sind oder noch entdeckt werden sollten, ohne Furcht, damit unangenehme Erfahrungen zu machen, herangezogen werden. Das alles wird am Ende diese Ergebnisse nur bestätigen und bekräftigen müssen, indem sämtliche theologischen und philosophischen Abhängigkeiten Barths die Verwurzelung seines Denkens im Kerygma der Blumhardts nur modifizieren, d. h. verstärken und sichern, oder auch abschwächen und verschieben können, während diese selbst unverändert erhalten bleibt, vorausgesetzt, daß es mit ihr seine Richtigkeit hat, was für uns außer allem Zweifel steht. Wenn Barth wirklich der Theologe des "Soli deo gloria" ist, als den wir ihn erkannt haben, dann können auch der Neuplatonismus und Hegel nichts daran ändern, sondern seiner Theologie nur eine bestimmte Farbe verleihen, die nur ihr eigentümlich ist, dann heben das auch Overbeck und Kierkegaard nicht auf, sondern geben seinem Denken nur das Rüstzeug, an dieser Wahrheit unbeirrbar festhalten zu können.


4.) Die neue Entwicklung Barths im Lichte seiner Verwandtschaft
mit dem Blumhardtschen Denken

Schließlich darf nicht versäumt werden, auch noch kurz auf das Licht hinzuweisen, das von dem Ergebnis unserer Untersuchung aus auf die neue und neueste Zeit der Entwicklung Barths auf seine "Kirchliche Dogmatik" fällt. Hier ist doch das, was wir in den Römerbriefkommentaren und in den sie begleitenden Schriften erst mühsam als den eigentlichen Untergrund, das rechte Zentrum des Barthschen Denkens suchen und nachweisen mußten, was wir als in der Verkündigung der Blumhardts vom Reiche Gottes gegründet und verwurzelt vorgefunden haben, nun ganz offen und für jeden sichtbar zutage getreten, hier hat sich das Barthsche Denkschema seiner eigentlichen Denkform und dem ihr entsprechenden, sie begründenden Denkinhalt soweit angeglichen und genähert, daß ein Irrtum über den beherrschenden und grundlegenden Zug des Barthschen Denkens nicht mehr möglich ist. Jetzt, in der Kirchlichen Dogmatik, ist es ganz deutlich, daß B. aktualistisch, ganz von dem H a n d e l n Gottes für den Menschen her denkt, daß dieses aktualistische Denken gerade deshalb nun auch realistisch ist, unbeirrt und zielsicher auf G o t t e s Handeln für den Menschen vertrauen und von ihm Zeugnis ablegen kann; von hier aus ist es weiterhin ganz klar, daß dieses s o bestimmte Denken Barths theozentrisch, monistisch und universalistisch ist und sein muß, wir denken an die Prolegomena, die die Möglichkeit und Wirklichkeit menschlicher Gotteserkenntnis behandeln, welche die Voraussetzung einer jeden dogmatischen Beziehung ist, an die Gotteslehre selbst, die die zentrale Stellung Gottes in der Theologie Barths durchschlagend zum Ausdruck bringt, wir denken an die christologische Verfahrensweise Barths innerhalb seiner gesamten Dogmatik, die von der Schöpfung bis zur Ethik alles von Christus und seinem Werk her ableitet, erkennt und begründet, eine Haltung, die man Barth sehr oft als "Christo-Monismus" zum Vorwurf macht, wobei nur nicht einzusehen ist, wieso eine solche Selbstverständlichkeit wirklich c h r i s t l i c h e r Theologie derart mißverstanden und übel ausgelegt werden kann, wir denken schließlich auch an die Barthsche Prädestinationslehre, in der sein Universalismus besonders hervortritt, aber auch an den umfassenden, weit und breit abgesteckten Raum der Barthschen Dogmatik, der wiederum seine universalistische Tendenz deutlich macht. Es ist somit selbstverständlich, daß sich auch der Inhalt des Barthschen Denkens der Zeit der Römerbriefkommentare in seiner Kirchlichen Dogmatik wiederfindet und bemerkbar macht. Wir können auf diese Verwandtschaften und Beziehungen im Rahmen unserer Untersuchung nicht mehr näher eingehen, obgleich auch hier viele interessante und überraschende Feststellungen zu machen wären; wir weisen nur beispielsweise auf die Barthsche Ethik hin, die sich in ihrer Weigerung, feste, unumstößliche ethische Weisungen geben, in ihrer Zurückziehung auf die "christliche Ermahnung", auf das "primäre christliche Handeln", von dem alles "sekundäre" Handeln erst herkommen muß, auch in der Kirchlichen Dogmatik in ganz veränderter Gestalt, der Sache nach aber doch fast unverändert wiederfindet. Wir möchten diesen kurzen Abschnitt über den Zusammenhang des alten mit dem jüngeren Blumhardt, der gerade durch das Ergebnis unserer Untersuchung erst ganz klar und überschaubar wird, mit dem Hinweis auf das große Arbeitsfeld beschließen, das sich hier den Theologen eröffnet und das auf Bearbeitung wartet. Es gilt, von der erkannten Verwurzelung des Barthschen Denkens im Kerygma der Blumhardts aus die gesamte Entwicklung Barths von 1909-1955 zu überdenken und sie in ihrer Geschlossenheit und Notwendigkeit, in ihrer Folgerichtigkeit und Stetigkeit zu erforschen und darzustellen und damit alle die vielen Anschauungen, die von einem oder mehreren oder sogar vielen "Brüchen" innerhalb der Entwicklung Barths reden, zu korrigieren und richtig zu stellen. Der Barth, der s o anfing, der in s o l c h e n Kontakt mit der Blumhardtschen Verkündigung kam, m u ß t e früher oder später, auf was für gefahrvollen und verschlungenen Wegen auch immer, d o r t enden, wo er heute steht! Eine interessante Teilaufgabe solcher Untersuchung wäre es dann weiter, die relative Nähe oder Ferne der einzelnen Perioden der Barthschen Entwicklung zu seiner von der Blumhardtschen Botschaft her bestimmten Grundhaltung nachzuweisen und dann und daraufhin auch die Bedeutung dieser einzelnen Perioden innerhalb der Barthschen Entwicklung, die Rolle, die sie für den Weg seines theologischen Denkens spielten, zu erkennen, schließlich von hier aus ihr gegenseitiges Verhältnis zueinander darzustellen, und auf diese Weise den verwickelten und kurvenreichen Gang der Entwicklung Barths zu verstehen und klar zu legen.



5.) Nachwort

Damit stehen wir am Ende unserer Untersuchung. Mit diesen Bemerkungen zu den neuen Aufgaben und Problemen, die sich aus dem Ergebnis unserer Arbeit, aus der bewiesenen Verwurzelung des Barthschen Denkens im Kerygma der beiden Blumhardts vom Reiche Gottes ergeben, ist alles gesagt, was im Rahmen der Themastellung unserer Untersuchung gesagt werden konnte und mußte. Es war ein weiter, umständlicher und hindernisreicher Weg, der uns endlich zu den erstrebten Ziel, dem Nachweis der Zusammengehörigkeit des Barthschen Denkens mit der Blumhardtschen Verkündigung führte, doch wir glauben, daß dieser Weg, der im Einzelnen manches Licht auf den Zusammenhang, den Tenor und die Triebkräfte der Blumhardtschen und Barthschen Theologie geworfen hat, sich auch im Ganzen mehr als gelohnt hat. Es ist ein Gebot der Stunde, daß endlich die theologische Herkunft und Entwicklung des Mannes geklärt und dargestellt wird, der in der theologischen Entwicklung der Gegenwart Entscheidendes geleistet hat und der bis in die weite Zukunft hinein wegweisend wirkt. Einen Versuch, auf diesem Gebiet einen ersten bescheidenen Anfang zu machen, stellt diese Arbeit dar. Wir sind uns bewußt, daß sie im Höchstfall eben n u r das, ein kleiner Anfang, sein kann, daß hier noch vieles lückenhaft erkannt und verzerrt dargestellt ist, aber wir glauben und hoffen doch, daß durch unsere Untersuchung das schwierige Problem der Barthschen theologischen "Genesis" der Lösung einen Schritt näher gekommen ist. Nun kommt es darauf an, unsere Ergebnisse kritisch zu verarbeiten, entweder auf ihnen aufbauend zu einem klaren Bild der Barthschen Entwicklung zu kommen, oder aber in Antithetik zu ihnen von einer anderen Grundlage aus das gesamte Problem nochmals von neuem aufzurollen und damit der Lösung näher zu bringen. Beides soll uns recht sein und werden wir begrüßen; es kommt nur auf das Eine an, daß die Gleichgültigkeit gegenüber dem Werden der Barthschen Theologie, die in unseren Tagen so überraschend stark ist, endlich verschwindet, daß sich die theologische Forschung nicht länger mehr mit den wirklich kümmerlichen, widersprechenden und großenteils von totalem Mißverständnis gegenüber Barths geschlagenen Ergebnissen der zwanziger und dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts zufrieden gibt, sondern endlich danach strebt, dem Denken Barths auch in der Erforschung seiner Anfänge und seiner Entwicklung bis auf unsere Zeit hin gerecht zu werden. Wenn unsere Untersuchung dazu ein klein wenig beigetragen hat, so hat sie ihren Zweck weitgehend erfüllt, was auch über ihre Ergebnisse im einzelnen zu sagen sein wird. Aber, um es zum Schluß noch einmal deutlich zu machen: wir selbst glauben, daß n u r auf dem von uns beschrittenen Weg, von den Ergebnissen unserer Arbeit aus eine erfolgversprechende Lösung aller Probleme der Barthschen Theologie möglich ist. Daß dieser Weg nun auch wirklich beschritten und eine solche Lösung von unseren Ergebnissen her wirklich angestrebt wird, ist unsere große Hoffnung!